Historische Geräte
zur Lederverarbeitung
AUF DEN SPUREN EINES
„ANRÜCHIGEN“ HANDWERKS
ein Stadtrundgang und Museumsbesuch in Tittmoning
gibt Einblick in die mittelalterliche Welt
des Gewerbes der Gerber
Kann man das fressen? Ist das was zum Spielen?
Schäferhund Samy legt den Kopf schief und fixiert
den schwarzen Gegenstand in der Hand von Waltraud
Jetz-Deser. Die Museumsleiterin des Gerbereimuseums in
Tittmoning steht auf dem Stadtplatz und hält einen alten
schwarzen Damenschuh zum Schnüren in der Hand. Der
ist aus Leder und wird die zehnköpfige Gruppe, die um
sie herum steht, die nächsten zwei Stunden als Leitmotiv
begleiten. Die zehnjährige Mia und die anderen Kinder mit
den erwachsenen Begleitern betrachten den abgewetzten
Schuh neugierig. Beim Geschichts-Rundgang durch verwinkelte
Gassen, über Bäche und entlang der Burgmauer
werden sie tief in die fremdartig anmutende Welt des
Gerber-Handwerks eintauchen.
Seit Ende des 16. Jahrhunderts sind fünf Linien von Rot-
und Weißgerbern in der historischen Schifferstadt an der
Salzach dokumentiert. Weißgerber behandelten die Häute
von Wild, Schaf und Ziege und Tierhäute mit Fellen. Der
Gerbstoff war Alaun, ein mineralischer Gerbstoff. Hergestellt
wurden vor allem feinere Lederwaren und auch warme
Kleidung. Sie verarbeiteten in einem eigenen Viertel
vor den Stadttoren, der Wasservorstadt, in einem Monate
dauernden Prozess Tierhäute zu Leder. Ein schmutziges,
durch die verwendeten Zusatzstoffe gefährliches und
aufgrund des Gestanks auch „anrüchiges“ Handwerk,
das aber Reichtum und Ansehen in der Stadt brachte.
„Hier war die Wasserwerkstatt“, sagt Waltraud Jetz-
Deser und zeigt auf den idyllisch herabplätschernden
Seite 40 STAUNEN – GERBEREIMUSEUM MIT WALTRAUD JETZ-DESER