Nur einen kurzen Fußmarsch vom Tachinger See
entfernt, könnte der Ort idyllischer nicht liegen: Mit einem
Garten voll duftender bunter Blumen und Obstbäumen sowie
Bergblick vor der Tür erscheint das Anwesen wie eine
Insel unerschütterlicher Ruhe in stürmischen Zeiten. Hier
gehen Wolfgang Potocki und seine Frau Monika einem seltenen
Handwerk nach, das mittlerweile zum immateriellen
Kulturerbe Bayerns gehört: sie drechseln. Aus unterschiedlichen
Hölzern entstehen
Schmuckkugeln, Vasen,
Schalen, Löffel, Dosen und
vor allem Gewürzmühlen.
„Jedes Stück Holz hat eine
eigene Geschichte zu erzählen“,
erklärt Monika. Mit der
Hand streicht sie über das
feine schwarze Linienmuster
in der aus hellem Birkenholz
gefertigten Mühle. „Der
Stamm lag längere Zeit
hinter unserem Schuppen, bis Pilze und Mikroorganismen
diese Zeichnung geformt hatten.“ Aus dem Urlaub in Griechenland,
von alten Bauernhöfen oder aus aufgelassenen
Gärten bekommen die Potockis zum Teil echte Holzraritäten.
„Dies Stück Kirschholz stand als Baum früher beim
Mühldorfer Gefängnis“, erinnert sich Wolfgang.
Holzteile in verschiedenen Bearbeitungsstufen und das
Werkzeug an der Wand wecken die Lust, hier einmal selbst
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Hand anzulegen. „Das Drechseln zeichnet die intensive Nähe
zum Holz aus“, ist Wolfgang überzeugt. Mit der alten Bandsäge
aus Gußeisen zerteilt er in der Werkstatt die Stämme und
macht kleine Rohlinge daraus. Eingespannt in die Drechselmaschinen
werden daraus mit handgeführten Werkzeugen
erkennbare Formen gefertigt. Der Feinschliff erfolgt von
Hand mit Schleifpapier unterschiedlicher Körnungen. Ein echtes
Paradies tut sich im Keller auf. Hier trocknen und lagern
tausende verschiedenfarbige
Rohlinge und Schalen unterschiedlicher,
zum Teil auch
sehr seltener Holzarten. Sie
werden bisweilen erst nach
Jahren weiterverarbeitet.
Ihre mit Bio-Öl und Bienenwachs
veredelten „Holzschätze
mit Seele“ verkaufen
Wolfgang und Monika Potocki
auf Kunsthandwerkermärkten
in Bayern und Österreich. „Da
hören wir viele Geschichten, weil Holz kommunikativ wirkt“,
sagt Monika. Ein Hingucker sind die Holzschalen. Manche
sind dünn wie aus Seide, andere robust und fest mit derbem
Rindenrand. „Besonders die Schalen sind ein Mysterium.
Man muss sie aus dem saftfrischen Holz grob vordrechseln,
damit sie nicht reißen“, erklärt Wolfgang. Im Rahmen von
Workshops wollen beide ihre selten gewordene Kunst jetzt
erstmals auch außerhalb von Ausstellungen vorführen.
DRECHSLER AUS LEIDENSCHAFT
Wolfgang und Monika Potocki haben ihre Passion für das alte Traditionshandwerk vor mehr als 20 Jahren entdeckt. Auf der
Suche nach einer Bandsäge fanden sie in einem Geschäft eine Drechselmaschine aus der Vorkriegszeit und waren sofort davon
fasziniert. Beide sind vom Fach: Wolfgang hat als Ingenieur Holztechnik studiert. Monika ist Architektin mit einem Faible
für Möbelbau. Über ein Unternehmen für Lehmbauten im Rheinland haben sich beide kennengelernt. Nach längerer Tätigkeit
als Schreiner und im Möbelbau widmen sie sich heute fast ausschließlich dem Drechslerhandwerk. Monika baut Möbel und rekonstruiert
alte Tisch-Webstühle. Ihr Anwesen im Weiler Moosmühle bei Taching am See vereint dabei Wohnhaus, Werkstatt,
Lager und Ausstellungsraum.
OFFENE WERKSTATT UND DRECHSLER-WORKSHOP
Das Drechslerhandwerk ist nachweislich eines der ältesten Gewerke der Erde. Der erste bekannte Fund stammt aus dem
7. Jahrhundert v. Chr. in Italien. Wer dieses Handwerk „live“ miterleben will, der kann dies nach Voranmeldung bei einem
Besuch in der Drechslerwerkstatt in Moosmühle tun. Gäste können dort einen Blick in die Werkstatt, das Holzlager und
den Verkaufs-Showroom werfen und den faszinierenden Umgang mit dem Werkstoff Holz erleben.
Wer selbst einmal die Freude bei der Arbeit mit Holz erleben will, kann sich für einen Workshop anmelden. Dieser findet
jeweils am ersten Mittwoch im Monat von 15 bis 18 Uhr statt. Dabei wird allerdings nicht gedrechselt, sondern Wolfgang
und Monika Potocki stellen aus heimischen Edelhölzern Kochlöffel, Pfannenwender, Salatbestecke und Ähnliches her.
Erklärt werden dabei auch die nötigen Vorarbeiten an den Maschinen. Die reizvolle endgültige Formgebung und den
Feinschliff der vorgefertigten Werkstücke erledigen die Teilnehmer dann selbst in Handarbeit.
Darüberhinaus werden Drechselkurse für Kleingruppen (idealerweise 3 - 4 Teilnehmer) angeboten. Termine und Themen
können für Interessenten unter Telefon +49 (0)8681 4716640 vereinbart werden. Unter www.drechselkunst-potocki.de
gibt es außerdem aktuelle Infos zu Ausstellungen auf Kunsthandwerkermärkten.
Seite 42 STAUNEN – DRECHSLER-WORKSHOP MIT WOLFGANG UND MONIKA POTOCKI